Warst du schon einmal am Rande deiner körperlichen Grenzen? Wir bisher auch noch nicht. Mal etwas durchziehen, von dem man sich vorher nicht sicher ist, ob man es schafft oder wie es einem danach geht. Mit diesem Anspruch haben wir unseren Stewart Island Great Walk gebucht.
In Neuseeland gibt es verschiedene sogenannten Great Walks. Auf diesen Wanderungen – meist ab 30 Kilometer – gibt es Hütten zum Übernachten. Die komplette Verpflegung, Schlafsack und Gepäck mussten wir selber mitnehmen.
Auf der Suche nach einem passenden Walk für uns als blutige Anfänger, sind wir auf den Rakiura Track gestoßen. Der 36 Kilometer lange Wanderweg auf Stewart Island führt hauptsächlich durch Regenwald und am Strand entlang. Da es dort nur ein paar „Hügel“ mit maximal 300 Metern Höhe gibt, dachten wir uns – jupp der sollte für den Anfang passen.
Was wir jetzt über eine so lange Wanderung wissen:
Verdammt, können 300 Meter Hügel mit knapp 12 Kilo schwerem Rucksack anstrengend sein.
Man wird ausgelacht, wenn man Wechselklamotten für jeden Tag dabei hat.
Eine Pizza hat noch nie so lecker geschmeckt wie nach 3 Tagen kaltem Essen.
Hier kommen unseren Erfahrungen mit dem ersten Great Walk unserer Neuseeland Reise.
Matsch und Wald. Und von beidem eine Menge. Wenn du das schmatzende Geräusch von sehr viel Schlamm unter deinen Schuhen und Vogelgezwitscher hörst, bist du wahrscheinlich auf Stewart Island. Wir haben uns dazu entschieden den Walk im Uhrzeigersinn zu machen. Beide Richtungen sind möglich, aber die meisten wandern gegen den Uhrzeigersinn.
6:15 Uhr. Der Wecker klingelt
Du, Neele? Ja? Ich glaube du musst deinen kleinen Rucksack doch noch mal gegen deinen großen tauschen. Wenn ich die 36 Kilometer überleben möchte, kann ich nicht den Großteil unserer Sachen tragen. Mit Schmolllipe aber auch mit Verständnis wurde der Vorschlag angenommen und in Eile noch mal umgepackt. Pünktlich um 8 sind wir dann los zum Hafen in den nächsten Ort Bluff. Von Dort aus fährt die Fähre circa eine Stunde rüber nach Stewart Island.
Nachdem wir unsere Einweisung in den Wanderweg vom dortigen Infozentrum bekommen haben, konnte es los gehen. Mit einer Mischung aus Vorfreude, Spannung und Skepsis haben wir uns auf den Weg in Richtung Startpunkt des Wanderweges gemacht.
11:30 Uhr. Es geht los
Laut Vorhersage erwartet uns knöcheltiefer Matsch und Vögel wo man nur hinschaut. Nach 3 Stunden wandern und einigen Kilometern in den Beinen, haben wir das erste Lebewesen gesehen…eine Hummel. Vom Matsch und den Vogelmassen haben wir bis dahin nicht viel mitbekommen. Höchstens den ein oder anderen Piepmatz gehört. Die Kamera war zumeist das einzige, was wir auf den ersten Kilometern wahrgenommen haben. Der Weg führte uns hauptsächlich durch Birkenwald entlang des Paterson Inlets und regelmäßig auf und ab entlang der Küste.
Abends in der Hütte
Bis auf die Müdigkeit, ging es uns erstaunlich gut. Die Füße haben sich noch nicht gemeldet und der viel zu schwere Rucksack hatte auch noch keine schmerzhaften Auswirkungen. Am Abend kamen wir mit einem belgischen Pärchen ins Gespräch – ungefähr im Alter unserer Eltern. Gleich zu Beginn haben wir erstmal eine Einweisung in den Wanderdresscode und die richtige Packmenge bekommen. Darüber, dass wir für jeden Tag neue Klamotten dabei hatten, haben die beiden nur gelacht und gemeint: kann man machen…man muss es dann halt auch tragen wollen. Das wir auch noch ein Ersatz T-Shirt dabei hatten, haben wir dann lieber gar nicht erst erwähnt.
Der erste Tag zusammengefasst
„Noch“ tut nichts weh – schon mal ein guter Anfang.
13 Kilometer mit genauso vielen Kilo Gepäck sind verdammt lange
Laut Neeles Uhr sind das übrigens 24.481 Schritte
Völlig erschöpft aber mit Vorfreude auf den nächsten Tag schlafen wir ein. Leider ohne noch einen Kiwi bei der kurzen Nachtwanderung vor dem Schlafengehen zu Gesicht zu bekommen.
Tag 2 – Noch mehr Matsch…und ab jetzt auch echt tief
Entgegenkommende Wanderer hielten regelmäßig an und gaben uns Tipps und Erfahrungen der letzten beiden Tage weiter. Die Frage des Tages zur Begrüßung lautete: Did you see a Kiwi?
Der seltene Vogel ohne Flügel ist eines der neuseeländischen Nationalsymbole und einer der Gründe, warum viele nach Stewart Island fahren. Dort ist die Chance einen vor die Linse zu bekommen am höchsten.
Der Wald wurde mit jedem Kilometer grüner, die Bäume höher, und der Weg steiler. Die schweren Beine vom Vortag haben wir überraschend schnell raus gelaufen und der Rucksack fühlte sich auch immer besser an. Vielleicht auch weil die ersten paar hundert Gramm Essen fehlten.
Berg rauf. Und wieder runter. Berg rauf. Und wieder runter. Und so weiter. Das beschreibt den Großteil der Strecke am zweiten Tag ziemlich genau. Der letzte Anstieg zum höchsten Berg – einige würden vielleicht Hügel sagen – wollte nicht aufhören. Nachdem wir am Ende der letzten Treppe eine Pause eingelegt haben, sind wir um die nächste Kurve weiter gewandert. Und standen vor der nächsten Treppe. Na Toll, wir haben uns zu früh gefreut.
Der zweite Abend in der Hütte
Zwei Drittel hatten wir geschafft. Wir waren überrascht, wie gut wir mit der Strecke und vor allem mit unserem Gepäck zurecht kamen. Das Essen reichte noch und es sah so aus, als würden wir auch am letzten Tag nicht verhungern.
Das besondere an der zweiten Hütte war definitiv der gold schimmernde Strand an der Port William Bucht. Nach zwei Wandertagen ohne Dusche reicht nur noch Deo auch nicht mehr aus. Zum Glück waren wir am Meer und konnten uns in die kalten Fluten stürzen.
Letzter Tag auf dem Rakiura Track
9:11 Uhr: Es geht los. 200 Meter Strecke geschafft. Die Vorfreude auf unseren Schokoriegel für’s Ziel steigt.
9:13 Uhr: Hast du die Kamera? – Nö!
9:15 Uhr: Es geht los. 200 Meter Strecke geschafft (Plus weitere 400 um die Kamera zu holen.…). Die Vorfreude auf unseren Schokoriegel für’s Ziel steigt.
Der schönste Teil des Rakiura Tracks stand uns bevor. Der letzte Abschnitt der eigentlichen Wanderung ist „nur“ noch 8 Kilometer lang und führt entlang der Küste und immer wieder an den Strand. Danach kommen dann leider noch 5 Kilometer Straße hinten dran, um vom Ende des Tracks zurück zum Dorf zu kommen.
Der Weg führte uns erst noch mal wieder durch den Regenwald, bevor wir an der wohl meist fotografierten Stelle des Weges vorbei kamen. Diese Hängebrücke ist der Übergang vom Regenwald auf den Maori Beach.
Entlang dieser traumhaften Bucht konnten wir dank Ebbe entlangwandern um dann am anderen Ende wieder in den Regenwald zu klettern.
Immer wieder schimmerten kleine Buchten mit türkisblauem Wasser durch die Bäume und die Laune wurde immer besser. Wir merkten zwar mittlerweile die ein oder andere Stelle unseres Körpers, aber bei dieser Aussicht alle paar hundert Meter war all das vergessen.
Angekommen! Überlebt! Überglücklich!
Als wir völlig erschöpft am Fähranleger saßen und unseren „Wenn-wir-im-Ziel-sind“ Schokoriegel aßen, überkam uns ein riesieges Grinsen. Wir haben beide in den drei Tagen eine neue Grenze überschritten. Keiner von uns beiden war vorher so viel am Stück mit dieser Menge an Gepäck gewandert.
Von der Fährfahrt von Stewart Island zurück nach Bluff können wir leider nichts erzählen. Wir haben geschlafen…
Zum Abschluss der drei Tage gab es dann noch die wohlverdiente Pizza mit Käserand und zur Ausnahme mal ein Campingplatz mit heißer Dusche.